Details zu Handlungsempfehlungen

Der eigene Tod ist ein Thema, das jeden Menschen im Laufe des Lebens beschäftigt

Das letzte Lebensjahr

Details zu den Handlungsempfehlungen für eine bessere Versorgung im letzten Lebensjahr

Stärkung der frühzeitigen Kommunikation im und über das letzte Lebensjahr

Ein Beispiel für die genannten Instrumente, die zur Früherkennung des tödlichen Verlaufs einer Erkrankung genutzt werden können, ist die sogenannte Überraschungsfrage („surprise question“): Diese lautet: „Wären Sie überrascht, wenn ihr*e Patient*in innerhalb des nächsten Jahres / des nächsten Monats / der nächsten Tage versterben würde?“ Die Überraschungsfrage schafft Bewusstsein für den baldigen Tod von Patient*innen und kann ein Trigger für ein Umdenken in der Versorgung bei Menschen kurz vor dem Lebensende sein. 

Im Rahmen von CoRe-Net wird im Projekt LYOL-C II derzeit der Einsatz der Überraschungsfrage in Verbindung mit weiteren Elementen im Kölner Kontext erprobt (siehe Praxisbeispiel). Ergebnisse hierzu werden für den Beginn des Jahres 2023 erwartet. Eine andere Möglichkeit ist der Einsatz von statistischen Modellen, die beispielsweise auf Daten aus der Krankenakte beruhen und auf deren Basis ein wahrscheinlicher Todeszeitraum geschätzt werden kann. Die Ergebnisse einer solchen Prognose können den Versorger*innen im Rahmen eines Prozesses für die Entscheidungsunterstützung (z.B. über eine entsprechende Software) zur Verfügung gestellt werden.

Befragung und Datenauswertung zum Thema: Der Eintritt in das letzte Lebensjahr

  • Über das nahende Lebensende wird gesprochen, dies geschieht aber häufig sehr kurz vor dem Tod.
  • Etwa 1/3 der Verstorbenen in Köln erhält im letzten Lebensjahr Palliativversorgung, aber auch diese beginnt teils nur sehr kurz vor dem Tod.

Detaillierte Auswertungsergebnisse zum Eintritt in das letzte Lebensjahr finden Sie hier.

Praxisbeispiel: LYOL-C II

Die hier vorgestellten Ergebnisse aus dem LYOL-C Projekt haben zu einer Folgestudie geführt (LYOL-C II). Diese hat das Ziel, die patientenzentrierte Versorgung in Akutkrankenhäusern im letzten Lebensjahr zu verbessern. Im Rahmen der Studie wird eine zweiseitige Intervention entwickelt und evaluiert. Im Fokus der Intervention steht die Optimierung der Versorgung von Menschen mit fortgeschrittener, unheilbarer Erkrankung. Die Intervention bezieht sich einerseits auf die Versorger*innenseite.  Ziel dabei ist Patient*innen, die sich im letzten Lebensjahr befinden, frühzeitig zu identifizieren. Als Instrumente werden die Überraschungsfrage („surprise question“) sowie Indikatoren für eine supportive und palliative Versorgung (SPICT-DE) eingesetzt. Andererseits bezieht sie sich auf die Patient*innenperspektive. Mit Hilfe von strukturierten, vorgefertigten Gesprächs-Checklisten („question prompt sheets“) werden Patient*innen und Angehörige ermutigt, sich aktiv ins ärztliche Gespräch einzubringen.

Angemessene und strukturierte Gestaltung der Kommunikation im letzten Lebensjahr

Als konkretes Beispiel für Vorgehensweisen zur Erreichung strukturierter Kommunikation im letzten Lebensjahr kann die sog. „Serious Illness Conversation“ (siehe Praxisbeispiel) genommen werden. Instrumente für die Schulung von medizinischem Personal sind z.B. professionelle Trainings zur Optimierung der kommunikativen Kompetenz von Ärzt*innen, wie sie durch die Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie der Uniklinik Köln angeboten werden (weitere Informationen dazu finden sie hier). 

Befragung und Datenauswertung zum Thema: Wer überbringt die Nachricht?

  • Die Nachricht über den baldigen Tod wird am häufigsten von Ärzt*innen im Krankenhaus überbracht.
  • Aber gerade im Krankenhaus wurde diese Kommunikation von vielen als wenig sensibel und einfühlsam erlebt.

Detaillierte Auswertungsergebnisse zur Überbringung der Nachricht über den baldigen Tod finden Sie hier.

Praxisbeispiel: Serious Illness Conversation

„Serious Illness Conversation“ (zu Deutsch etwa „Gespräch über eine schwere Erkrankung“) bezeichnet ein Programm, das sich an Versorger*innen richtet. Es besteht aus einer Reihe von Empfehlungen für eine gelingende Kommunikation und teilt dabei den Kommunikationsprozess in vier Schritte: Vorbereitung, Gespräch, Ergebniszusammenfassung und -bestätigung, Umsetzung. Dabei werden für jeden Schritt Handlungsempfehlungen angeboten. Die Umsetzung des Programms in der Praxis basiert auf Schulungen für Versorger*innen, die bereits im Medizinstudium ansetzen können. Sie umfassen unter anderem Rollenspielelemente mit Schauspielpatient*innen zum Erlernen der Gesprächsführung. [9]

Sensibilisierung von Patient*innen und Angehörigen weiter fördern - Kommunikationshilfen

Ein Beispiel ist der Verein endlich e.V., der sich in Kooperation mit dem Palliativzentrum des Uniklinikums Köln bereits für einen Dialog mit der Kölner Bevölkerung einsetzt. Themen des angestrebten Dialogs sind beispielsweise Sterben, Tod und Trauer. Auch die Caring Community Köln verfolgt das Ziel, die Kompetenzen der Kölner Bevölkerung im Umgang mit den genannten Themen zu stärken. Des Weiteren kann eine strukturierte, vorgefertigte Gesprächs-Checkliste („question promt sheets“) Patient*innen und Angehörige unterstützen, ärztliche Gespräche aktiv mitzugestalten. Auf diese Weise können auch die Dauer des Gesprächs und die Menge der zur Verfügung gestellten Informationen eigenständig gesteuert werden. Die Erstellung und Einführung solcher vorgefertigter Gesprächs-Checklisten im Krankenhaussetting wird aktuell im Projekt LYOL-C II untersucht.

Befragung und Datenauswertung zum Thema: Komplexe Versorgung und ihre Folgen

  • Die Versorgung im letzten Lebensjahr ist geprägt von vielen Wechseln zwischen Versorgungssettings, wie dem Krankenhaus, der fachärztlichen Versorgung oder der Palliativversorgung.
  • Diese Wechsel stellen eine starke Belastung für Patient*innen und ihre Angehörigen dar und sind dabei medizinisch nicht immer notwendig.

Detaillierte Auswertungsergebnisse zur komplexen Versorgung und ihren Folgen finden Sie hier.

Eine Hauptansprechperson für die letzte Lebensphase schaffen

Die Rolle einer Hauptansprechperson könnte beispielsweise von Case Manager*innen übernommen werden. Eine zertifizierte Weiterbildung der Deutschen Gesellschaft für Care und Case Management (DGCC) ist bereits in Deutschland etabliert. Weitere, schon bestehende Angebote finden sich im onkologischen Bereich, wie z.B. OncoCoaches und die CIO Lotsinnen der Uniklinik Köln (siehe Praxisbeispiel). Die AOK-Patientenbegleiter bieten für erkrankte Versicherte der AOK Rheinland/Hamburg und ihre Angehörigen eine erste Beratung und Unterstützung zu Fragen rund um die Versorgungssituation an.

Praxisbeispiel: OncoCoach / OnCoPaTh / CIO Lotsinnen – auch für Patient*innen mit anderen Erkrankungen

Seit 2017 wird für nicht-ärztliches onkologisches Fachpersonal die Fortbildung OncoCoach durch den Arbeitskreis klinische Studien e.V. (AKS) angeboten. Ziel dieser Fortbildung ist es, nicht-ärztlichem onkologischem Fachpersonal Kompetenzen zu vermitteln, um Krebspatient*innen auf dem Weg durch die Therapie optimal zu begleiten. Dies umfasst auch die Koordination der Zusammenarbeit mit den beteiligten Versorger*innen und die Stärkung der Patient*innenkompetenz im Umgang mit der Erkrankung. Initiiert vom AKS befasst sich zudem das aktuelle Forschungsprojekt OnCoPaTh mit einer neuen Versorgungsform für Krebspatient*innen. Sie soll die Versorgung von Krebspatient*innen weiter verbessern, indem der Einsatz von OncoCoaches mit einer standardisierten frühen Integration der palliativen Pflege kombiniert wird. 

Im Centrum für Integrierte Onkologie (CIO) der Uniklinik Köln werden Patient*innen mit einer Krebserkrankung von CIO Lotsinnen unterstützt. Sie dienen als Schnittstelle zwischen den Patient*innen und den Versorgenden und bieten Hilfestellung bei Fragen zur Erkrankung oder der Koordination des Behandlungsverlaufs.

Diese Beispiele sind prinzipiell natürlich auch auf Menschen mit anderen Erkrankungen übertragbar.

Regelmäßige Abfrage von Patient*innenpräferenzen

Ein regelmäßiges Gespräch im Sinne des „advanced care planning“ wird in der S3-Leitlinie „Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung“ bereits empfohlen [8]. Zudem sollte erforscht werden, wer die regelmäßige, aktive Nachfrage bei den Patient*innen übernehmen könnte und wie oft bzw. zu welchen Anlässen sie durchgeführt werden sollte. Beim Umgang mit der Thematisierung von Todeswünschen kann den Versorgenden ein Gesprächsleitfaden helfen, der vom Zentrum für Palliativmedizin der Uniklinik Köln entwickelt wurde (diesen finden sie hier). Dieser kann den Versorgenden mehr Sicherheit im Gespräch mit Patient*innen bieten [6]. Zur regelmäßigen Abfrage der Angemessenheit und Qualität der Versorgungssituation im letzten Lebensjahr kann außerdem der VOICES-LYOL-Cologne-Fragebogen herangezogen werden [5].

Befragung und Datenauswertung zum Thema: Wunschsterbeort und tatsächlicher Sterbeort

  • Die meiste Menschen wollen zuhause versterben, der häufigste Sterbeort ist aber das Krankenhaus.
  • Menschen, die im letzten Lebensjahr ambulante Palliativversorgung erhalten, versterben häufiger zuhause oder in Pflegeeinrichtungen.

Detaillierte Auswertungsergebnisse zu Wunschsterbeort und tatsächlichem Sterbeort finden Sie hier.
 

Regionale Stärkung der Vernetzung und Zusammenarbeit zwischen Versorger*innen

Durch eine bessere Vernetzung ließe sich auch ein Rahmen für die ersten beiden Handlungsempfehlungen schaffen: sie böte die Möglichkeit, auch die Verbesserung der frühzeitigen Kommunikation im und über das letzte Lebensjahr zu fokussieren. Mit der Caring Community Köln existiert bereits ein solches Netzwerk für die Stadt, das weiter gestärkt werden sollte. Das Netz bindet dabei nicht nur professionelle Versorger*innen ein, sondern neben Bürger*innen auch Patient*innenvereine, Krankenkassen und weitere Akteur*innen. Eine angemessene Weiterentwicklung der Versorgungstrukturen ist ebenfalls gefordert. Die Lücke zwischen ambulantem und stationärem Sektor könnte beispielsweise durch palliativmedizinische Tageskliniken geschlossen werden. So könnten lange stationäre Aufenthalte für Patient*innen reduziert werden und Angehörige in der häuslichen Pflege wären zeitweise entlastet. Außerdem werden aktuell im Rahmen des Projektes Avenue-Pal evidenzbasierte Leitlinien für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen entwickelt. Avenue-Pal wird vom Gemeinsamen Bundesausschuss gefördert und verfolgt das Ziel, nicht notwendige Verlegungen von palliativen Patient*innen am Lebensende zu minimieren.

Befragung und Datenauswertung zum Thema: Qualität der medizinischen Versorgung

  • Es besteht eine Unzufriedenheit mit der Zusammenarbeit v.a. von Akutkrankenhäusern und anderen Versorgungseinrichtungen.
  • Hospize werden hinsichtlich Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen, Schmerzlinderung und Linderung anderer Beschwerden am besten bewertet. 

Detaillierte Auswertungsergebnisse zu der Qualität der medizinischen Versorgung finden Sie hier.

Praxisbeispiel: Caring Community

Mithilfe sogenannter „Caring Communities“ bzw. „Sorgender Gemeinschaften“ sollen Unterstützungsnetzwerke zwischen professionellen und ehrenamtlichen Kräften auf lokaler Ebene entstehen. Sie stellen eine Ergänzung und Erweiterung zur klassischen Palliativ- und Hospizversorgung dar. Der versterbende Mensch verbringt 95 % der letzten Lebenszeit in seinem bisherigen Lebensumfeld mit nahestehenden Personen. Dagegen nimmt das professionelle (Pflege-)Umfeld nur 5 % der verbleibenden Zeit ein [7]. Patient*innen werden daher den Großteil ihrer letzten Lebensphase von Personen begleitet, die nicht zum professionellen (Pflege-)Umfeld gehören. Diese Menschen gilt es für Thematiken wie Sterben, Tod und Trauer zu sensibilisieren, insbesondere in Hinblick auf die anhaltende Tabuisierung dieser Themen. So kann ein gesamtgesellschaftliches Verantwortungsgefühl für die letzte Lebensphase entwickelt werden. Die Caring Community Köln möchte die Stadtgesellschaft im Umgang mit Sterben, Tod und Trauer stärken und ihre Kompetenzen hierzu fördern. Die Frage nach der Kultur in einer Stadt ist weniger eine Frage für die Profis im Versorgungssystem. Vielmehr ist sie Gegenstand für alle Bürger*innen.

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Quelle/Zitierweise

[1] Blaschke K, Meyer I, Strupp J, Kasdorf A, Voltz R. Versorgung von Menschen im letzten Lebensjahr in Köln – Ein CoRe-Net Versorgungsbericht. CoRe-Net: Kölner Kompetenznetzwerk aus Praxis und Forschung. 2021

Ansprechperson zu diesem Thema
Ingo Meyer

Ingo Meyer, M.A.

PMV forschungsgruppe

+49 221 478 85540
ingo.meyeruk-koeln.de

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